Thesen
Liebe Gemeindeglieder, liebe Leser*innen,
der Überlieferung nach heftete der Augustinermönch Martin Luther (1483-1546) am 31. Oktober 1517, einen Tag vor Allerheiligen, seine 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg. Jener öffentliche Akt symbolisiert die große Bedeutung des Thesenanschlags: Er beschleunigte den Prozess, in dessen Verlauf sich viele Gläubige vom Papst und der römisch-katholischen Kirche lossagten. Die evangelische Kirche bildete sich.
Luthers Thesen richteten sich damals vor allem gegen den Missbrauch des mittelalterlichen Ablasshandels: Gläubige konnten mit dem Erwerb von sog. Ablassbriefen ihre Sündenstrafen reduzieren. Mit den Einnahmen wirtschaftete die Kirche gut, der Papst etwa finanzierte so den Bau des neuen Petersdoms. Gegen diesen maßlosen Machtmissbrauch und die Verweltlichung der Kirche protestierte Luther und veröffentlichte weitere Schriften.
„Sola gratia“ – „Allein Gottes Gnade könne den Gläubigen retten“, so der Reformator (Römer 11, 6). Und nur die Bibel – „sola scriptura“ – sei maßgeblich für den christlichen Glauben, nicht die traditionelle Lehre der Kirche. Durch die neue Technik des Buchdrucks mit beweglichen Lettern fanden Luthers Werke schnell Verbreitung und lösten eine reformatorische Bewegung aus. Da Luther seine Thesen nicht widerrufen wollte, schloss der Papst ihn und seine Anhänger 1520 aus der Kirche aus.
Selbst vor dem Kaiser wollte Luther sich nicht beugen. „Hier stehe ich, ich kann nicht anders“, soll er der Legende nach auf dem Wormser Reichstag gesagt haben. Darauf verhängte der Kaiser voller Zorn die Reichsacht über den Reformator. Luther war damit vogelfrei, jeder durfte ihn nun straffrei töten. Mithilfe seines Unterstützers, des Kurfürsten von Sachsen, konnte Luther sich aber auf der Wartburg verstecken. Als Junker Jörg arbeitete er dort unerkannt an seinem größten Werk: Er übersetzte das Neue Testament ins Deutsche. Sein Stil prägt unsere Sprache bis heute.
Die Reformation (lat. reformatio „Umgestaltung“, „Erneuerung“ ) besiegelte nicht nur die Teilung der Kirche, auch die politische Landkarte des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation veränderte sich nachhaltig: Immer mehr Reichsfürsten wandten sich von Papst und Kaiser ab, indem sie entschlossen die Reformation durchsetzten und ihre Länder in weltliche Fürstentümer umwandelten. Auf dem Reichstag zu Speyer 1529 protestierten die evang. Fürsten für ihre Glaubensfreiheit, der Begriff „Protestantismus“ war geboren.
Mit der „Confessio Augustana“ (CA) legten die Fürsten auf dem Augsburger Reichstag 1530 ein Glaubensbekenntnis ab, das von Kaiser Karl V. jedoch nicht anerkannt wurde. Darauf schlossen sie sich zu einem Schutzbündnis gegen den Kaiser zusammen, dem Schmalkaldischen Bund. Im Schmalkaldischen Krieg wurde das Bündnis 1547 von kaiserlichen Truppen besiegt. Erst im Jahr 1555 einigten sich die verschiedenen Lager im sogenannten Augsburger Religionsfrieden gesetzlich darauf, dass jeder Fürst über die Konfession in seinem Herrschaftsgebiet bestimmen durfte.
Das Gesetz bescherte dem Reich einen langen, jedoch keinen dauerhaften Frieden. Die konfessionellen Gegensätze führten letztlich zusammen mit politischen Ursachen zum Dreißigjähren Krieg (1618-1648), der ganz Europa in die Katastrophe stürzte. An dessen Ende schließlich wurde der Augsburger Religionsfrieden bestätigt.
1667 bestimmte der Kurfürst von Sachsen den 31. Oktober zum Gedenktag der Reformation – exakt 150 Jahre nach Veröffentlichung von Luthers Thesen. Seither feiern die deutschen Protestanten an diesem Tag ihren Glauben. In Deutschland war der Reformationstag bis 2018 nur in den östlichen Bundesländern ein gesetzlicher Feiertag. Seitdem ist er es auch in Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. 2017 war er aufgrund des 500. Jahrestags der Reformation einmalig in ganz Deutschland Feiertag.
Ihnen nun einen gesegneten Reformationstag 2021 – vielleicht ja auch verbunden mit einem Gottesdienstbesuch bei uns hier um 10 Uhr in Pappenheim, zumal jener Gedenktag ja heuer wieder Mal auf einen Sonntag fällt
und dabei die Zeitumstellung uns allen eine zusätzliche Stunde beschert.
Ihre Pfarrer Wolfgang Popp und Gerd Schamberger