Silvester … ohne Knall?

Liebe Leserin, lieber Leser!
Letzte Woche höre ich doch tatsächlich den vom Lockdown sehr enttäuschten Chef einer Feuerwerkskörper-Fabrik am Fernseher sinngemäß sagen: Die Menschen brauchen das Feuerwerk am Jahresende, die Möglichkeit zum Knallen und zum Böllern. Schließlich vertreibt man damit die Geister und Ängste. Und davon haben wir ja zurzeit genug…
Ich denke mir, ob er das wirklich selbst glaubt. Ob das überhaupt noch ein Mensch in Deutschland glaubt, dass die Knallerei zum Jahreswechsel böse Geister vertreiben hilft? Es scheint offensichtlich so. Stimmt, Jahrhunderte lang war das tatsächlich ein Grund, warum Menschen an Silvester mit viel Lärm und Getöse durch ihr Orte und Städtchen gezogen sind. Das zu Ende gehende Jahr sollte mit seinen Gespenstern so vertrieben werden. Damit dann das neue Jahr frei von bösen Mächten und dunklen Schatten beginnt.
Die alten Germanen veranstalteten traditionell ein „Höllenspektakel“. Jeder machte so viel Lärm, wie er nur konnte. Je lauter desto besser. Denn sie sollen die Silvesternacht besonders gefürchtet haben. Sie zündeten sogar Holzräder an, die sie brennend ins Tal rollen ließen, um die Finsternis und die bösen Geister zu verjagen. Im Mittelalter nahm man an Silvester dazu dann Rasseln, Töpfe und andere Gegenstände zum Lärmen.
Und mit dem Christentum kam ab dem 10. Jahrhundert das Läuten der Kirchen-glocken und das Spielen von Pauken und Trompeten hinzu. Später dann auch das Abfeuern von Gewehren und Kanonen.
Erst zum Anfang des 20. Jahrhunderts wurden durch die industrielle Produktion Feuerwerkskörper für alle käuflich erschwinglich. Und das Zünden von Böllern, Raketen und anderen Feuerwerkskörpern auf einmal wieder „modern“. Es hat also eine lange Tradition.
Gott sei Dank denken viel Menschen heute weiter und sehen das Silvester-Böllern und „Feuerwerken“ zurecht kritisch. Die Initiative „Brot statt Böller“ oder kritische Stimmen zum entstehenden Feinstaub, der Dreck auf den Straßen, die Lärmbelästigung, die Angst viele Tiere vor dem Knallen und nicht zuletzt die unglaublich hohen Summen, die da in der Silvesternacht im wahrsten Sinn des Wortes „in die Luft gepulvert“ werden.
Bisher waren es allein in Deutschland jährlich mehr als 100 Millionen Euro.
Ob die Knallerei zum Jahreswechsel „böse Geister“ vertreibt? Wohl kaum. Zu-dem, „die Geister des Jahres 2020“ waren wohl eher kleine Viren. Wenn es et-was zu vertreiben gäbe, dann sie. Und wäre das möglich, dann gäbe es morgen sicher ein wirklich spektakuläres Feuerwerk zu sehen.
Aber um Viren zu vertreiben, braucht es keinen Lärm, sondern medizinische Hilfe.
Bleibt trotzdem die Frage nach den bösen Geistern. Wie steht es damit im 21. Jahrhundert?
Heute nennen wir sie nicht mehr „Geister“. Aber Angst und Sorgen, Unsicherheit und Zweifel kennt jeder von uns gut. Vielleicht waren sie bei so manchem von uns in diesem Jahr eine Art ständiger Begleiter und haben unser Denken und Tun bestimmt.
Und wer in den vergangenen Monaten gar selbst von Krankheit betroffen war oder Angst um seine Existenz hatte, der hat diese „Geister“ deutlicher zu spüren bekommen, als ihm lieb war.
Ich glaube, selbst in der dunkelsten Nacht braucht es keinen Lärm, um die Finsternis zu vertreiben. Dazu haben wir Weihnachten gefeiert. „Weil Gott in tiefster Nacht erschienen, kann unsre Nacht nicht traurig sein!“ so in einem Lied unseres Gesangbuches (EG 56).
Und der Apostel Paulus schreibt es in seinem Römerbrief zum Silvesterabend:
„Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch irgendeine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn.“
(Römer 8,38f)
Kommen Sie gut ins neue Jahr 2021.
Mit herzlichem Gruß
Ihre Pfarrer Gerd Schamberger und Wolfgang Popp