Reif für die Insel
Liebe Gemeindeglieder, liebe Leser*innen,
auch bei uns in Bayern ist es nun endlich soweit: Die Schulferien haben begonnen, der Urlaub ist da. Zahllose Menschen setzen sich in diesen Tagen in Bewegung, sagen Stress und Alltag „Ade“ und suchen in der Ferne oder in der Region Erholung und Entspannung. Wir Menschen freuen uns auf diese wertvollen Wochen im Jahr, denn Hektik und Anstrengung fordern ihren Tribut. Viele fühlen sich ausgelaugt, haben keine Kraft mehr.

Sind auch Sie urlaubsreif? Oder sind längst „reif für die Insel“, wie man es zuweilen auch etwas lockerer formuliert? Für viele von uns waren schließlich die letzten Wochen und Monate eine ziemlich anstrengende Zeit; und nicht wenige unter uns freuen sich darum gemeinsam mit ihren Familien auf die nun begonnenen Sommerferien.
„Ja, ich bin urlaubsreif“, so sagen Sie. Aber – bin ich auch wirklich „reif“ für den Urlaub? Beides hört sich sehr ähnlich an – und doch… Es ist interessant und spannend zugleich, dass dieses kleine Wörtchen „reif“ in unserer deutschen Sprache einen doppelten Wortsinn hat. „Ich bin urlaubsreif“ – damit möchte man wohl sagen, dass man von allem die Nase gestrichen voll hat, dass es einem bis oben steht, dass man einfach nur weg will und vor allem hier raus.
„Ich bin reif“ dagegen meint, eine gewisse Vollendung erreicht zu haben, zum Beispiel wie bei einer Frucht, die nun endlich gepflückt werden kann. Eine gewisse Reife zu haben, bedeutet dann, einen Wachstums- oder Lebensabschnitt erfolgreich abgeschlossen zu haben. Eben dies meint auch die bis heute gebräuchliche Bezeichnung der sog. „Allgemeinen Hochschulreife“ für den erfolgreichen Abschluss der Schulzeit am Gymnasium.
„Ja, ich bin urlaubsreif“, aber – bin ich wirklich auch „reif“ für den Urlaub? Oder, mit anderen Worten: Hab‘ ich die „Kunst des Urlaubmachens“ überhaupt jemals gelernt? Dieser soll nämlich keine Flucht aus dem Alltag sein. Auch keine bloße Reduzierung des Lebens auf diese wenigen Tage und Wochen im Jahr. Und deshalb ist es gefährlich, allzu viel an Wünschen und Erwartungen in diese Zeit hineinzupacken.
Die „Kunst des Urlaubmachens“ bedeutet vielmehr, im Urlaub sehr bewusst ein Gegengewicht zum Alltag zu setzen, ohne diesen dadurch entwerten zu wollen. Wenn ich in meinem Alltag viel mit Menschen zu tun habe, dann suche ich im Urlaub vielleicht eher die Einsamkeit. Wenn ich viel alleine bin, mag mir im Urlaub menschliche Nähe gut tun. Wenn ich sehr verplant und nach Terminkalender lebe, dann brauche ich in den Ferien mehr spontane Aktionen. Wenn ich viel unterwegs bin, fühle ich mich in einer vertrauten Landschaft wohler. Wer eher geordnet lebt, mag den Nervenkitzel suchen, wer dagegen bereits im Alltag genug Aufregung hat, ist für Ruhe und Entspannung dankbar.
Alltag und Urlaub – zwei Bereiche, die sich ergänzen und deswegen zusammengehören. Alltag und Urlaub – zwei Bereiche, die gemeinsam beitragen zu einem gelingenden Leben. Alltag und Urlaub – zwei Bereiche, die uns vom Schöpfer selbst vorgegeben sind. Denn in sechs Tagen erschuf Gott die Welt, und am siebten ruhte er. Und selbst sein Sohn Jesus Christus suchte später zwischen seinen Predigten auch immer wieder die Ruhe und das Alleinsein. Warum also sollten wir es anders machen?
Ihnen allen darum nun hinreichend innere Reife für gleichermaßen entspannte wie erholsame Ferienwochen,
Ihre Pfarrer Wolfgang Popp und Gerd Schamberger