„O-Ton COVID-19“
Liebe Gemeindeglieder, liebe Leser*innen,
so langsam trudeln auch in den Pfarrhäusern die üblichen Karten und Briefe mit Weihnachtgrüßen ein; etliche freilich längst schon digital per Mail, als SMS, gepostet teils oder vereinzelt dann eben doch noch höchst selbst vom bekannten Postboten, der vertrauten Postbotin in den häuslich-analogen Briefkasten gesteckt. Ein solcher Brief kam jetzt gerade am Samstag vor dem 3. Advent an und ihm war ein Text beigelegt, den wir – auch auf die Gefahr hin, dass Sie ihn vielleicht längst schon kennen – gern mit Ihnen allen teilen wollen. Das Original stammt offensichtlich aus Italien, der Autor selbst jedoch scheint unbekannt.
Letter from COVID-19 – Message to human beings
Ich hab‘ viel nachgedacht in den letzten Tagen. Hab‘ versucht, all dem einen Sinn zu geben. Denn irgendeinen Sinn muss diese absurde Situation ja schließlich haben, in der wir da gerade zu leben versuchen. Hab‘ mir überlegt, wie es wäre, wenn das Virus sprechen könnte, wenn es in Form eines Briefes reden könnte – was darin wohl zu lesen wäre. Vielleicht ja läse er sich ja folgendermaßen:
„Ciao, ich bin COVID-19.
Viele von Euch kennen mich unter dem Namen Coronavirus. Ja genau, ich bin’s wirklich! Entschuldigt bitte, dass ich mich damals nicht rechtzeitig angekündigt habe, für wann, in welcher Form und wie sehr ich mich bei Euch zeigen würde.Warum ich eigentlich hier bin?
Sagen wir mal so: Weil ich es irgendwann leid war, bei den meisten von Euch ständig nur Rückschritte zu beobachten anstatt eine Entwicklung nach vorn zu erkennen. Ich war ehrlich gesagt müde, Euch zuzusehen, wie Ihr unseren wunderbaren Planeten behandelt und dort mit Eurer eignen Hände in kürzester Zeit alles zugrunde richtet. Und wie Ihr selber miteinander umgeht. Müde von Euren Gewalttaten und den zahllosen Kriegen; Euren persönlichen Streitereien und Vorurteilen. Eurem sozialen Neid, Eurer Gier, Eurer Heuchelei und Selbstsucht. War müde, dass Ihr Euch so wenig Zeit für Euch, Eure Familien und Freunde nehmt. Euren Kindern und Alten kaum Achtung schenkt.
War müde von Eurer Oberflächlichkeit: Der gierigen Suche nach den teuersten Klamotten, dem neusten Smartphone, dem coolsten Auto, bloß um vor andern gut dazustehn. Müde von den vielen üblen Lügen und all den dümmlichen ‚fake-news‘. Hatte es satt, Euch ständig nur nörgeln und streiten zu sehen wegen Banalitäten.Von Anfang an war mir klar: Ich werde hart sein, vielleicht zu hart – doch sehe ich niemanden dabei an – bin lediglich ein unsichtbares Virus. Meine Existenz wird Euch Leben kosten, aber ich möchte, dass Ihr ein für allemal kapiert, dass Ihr Euren Kurs ändern müsst. Zu Eurem eigenen Wohl! Die Botschaft, die Euch erreichen will, ist recht einfach: Ich werde alles abrupt stoppen, damit Ihr versteht, dass das einzig Wichtige, auf das Ihr nun all Eure Energien richten sollt, schlicht nur eines ist: Das LEBEN. Eures und ebenso das Eurer vielen Alten, Kinder und Enkel.
Es war gezielte Strategie von mir, dass Ihr dazu alle soweit möglich in Euren Häusern bleibt und Euch dabei auch mächtig isoliert fühlt, fern von Oma und Opa, den Eltern, Kindern, Enkeln und Freunden, damit Ihr endlich begreift, wie wichtig doch eine Umarmung und menschliche Nähe ist. Ein persönliches Gespräch, ein netter Händedruck, ein Abend mit Freunden, das Schlendern durch die Innenstadt, gemütliches Essen beim Italiener oder Joggen an der frischen Luft.
Von diesen Gesten aus möchte später dann alles ganz neu begonnen werden. Ihr seid alle gleich. Macht also Ihr keine künstlichen Unterschiede! Ich denke, ich konnte zeigen, dass Distanzen nicht existieren. Selber nämlich hab‘ ich in kürzester Zeit Kilometer um Kilometer zurückgelegt, ohne dass Ihr es wirklich bemerkt hättet.
Will Euch aber auch sagen: Bin selber nur auf der Durchreise! Doch das Gefühl der Nähe und des Zusammenhalts, das ich während meiner Anwesenheit geschaffen habe, muss um Gottes willen in alle Ewigkeiten anhalten. Lebt Euer Leben so achtsam und rücksichtvoll wie möglich. Geht. Atmet tief durch. Und tut Gutes.
Und wenn Ihr alle dann bald schon wieder kräftig am Feiern seid, bin ich gerade gegangen. Aber bitte erinnert Euch dran, eben nicht immer nur dann mal schnell einsichtigere Menschen zu sein, wenn ich selbst gerade da bin.
Arrivederci oder besser noch: Lebt wohl!“
Eine rundum nachdenkliche und weiterhin hoffentlich ebenso besinnliche
wie gesunde zweite Adventshälfte wünschen Ihnen
Ihre Pfarrer Wolfgang Popp und Gerd Schamberger