Mobil mit 94

Liebe Gemeindeglieder, liebe Leser*innen,

wir wollen Sie alle heute einfach mal teilhaben lassen an einer Geschichte, die Zeiten wie diese eben auch immer wieder schreiben:

Das erste Mal mit gut 94 Jahren mutet an wie ein Traum. Schön – und doch so unwirklich. Wie kann das sein, dass sie auf ihrem Mobiltelefon gleichzeitig Tochter, Enkelin und sich selbst sehen kann? Ihr seid doch zu Hause, fragt Oma vorsichtshalber, während sie sich rasch noch die Haare richtet. Dass sie an diesem Sonntagmorgen trotz der Corona-Abstandsregeln ihre Familie „zu Besuch“ hat, das ist dann doch überraschend. Eigentlich hatte sie damit gerechnet, allein zu frühstücken. Dann klingelte das Telefon – und nun sitzt sie in einer Dreier-Videokonferenz. Was doch ein so langes Leben alles mit sich bringt.
Diese digitale Begegnung ist einer der wertvollen Momente, die es in dieser Corona-Krise trotz allem eben auch gibt. Senioren wachsen über sich hinaus, damit sie ihre Angehörigen sehen können. Wagen englische Begriffe auszusprechen wie „Skype“, „Chat“ oder „Live-Stream“. Lernen, dass es Menüs nicht nur im Restaurant gibt. Dass man das Smartphone nicht nur ans Ohr hält, sondern auch am ausgestreckten Arm direkt vors Gesicht.
In Zeiten von Corona zahlt sich aus, wenn man vorher schon mal etwas geübt hat. Als Oma vor gut vier Jahren ihren 90. hatte und in eine altersgerechte Wohnung umgezogen war, hat man ihr ein iPad besorgt. Ein altersgerechtes Geschenk. Großer Bildschirm, großer Knopf, der Rest nur Fingerwischerei. Tablets sind wie gemacht für Senioren. Sie können sich Fotos ihrer Kinder, Enkel und Urenkel schicken lassen, können sich auf – Achtung Englisch! „Jutube“ längst vergessene Lieder wieder anhören. Ach, was haben wir getanzt, als wir noch jung waren und verliebt. Und eben auch: Was will ich auf meiner Beerdigung hören? Zuweilen wird es holprig, dann brauchen die jüngeren Verwandten gute Nerven. Etwa, wenn per SMS Hilferufe wie dieser kommen: Alles verloren. Emil ist weg! Emil? Man ruft schnell an. Und? Ein Raunen geht durch die Leitung. Entwarnung! Oma hatte versehentlich nur eine E-Mail gelöscht.
Lange hatten sich auch etliche ihrer Nachbarn geweigert, Tablets und dergleichen überhaupt anzuschauen. Auch das ändert Corona. Die beste Freundin in der Wohnung nebenan besitzt jetzt auch ein Smartphone. Ein anderer Nachbar hat um Tipps gebeten, wie man über Internet telefoniert. Der Arzt hat ihr eine E-Mail geschickt. Die Hausleitung denkt drüber nach, Internetbereiche einzurichten. Dort im Seniorenheim. Für Leute mit gut 94!

Bleibt also die abschließende Frage: Kann man sich vielleicht dort schon heute in eine mögliche Warteliste eintragen lassen?
Erste vorsichtige Signale, wie es vielleicht bald schon auch bei uns mit Gottesdiensten wieder weitergehen kann, sind ja bereits vernehmbar. Über konkrete Planungen für die kommenden Wochen werden wir Sie natürlich zeitnah informieren, sobald hier noch etwas mehr Klarheit herrscht.

Herzlich grüßen Sie
Ihre Pfarrer Wolfgang Popp und Gerd Schamberger

Spielen kann man mit so einem Tablet-Computer übrigens auch …