Mahnendes Erinnern
Liebe Gemeindeglieder, liebe Leser*innen,
der Volkstrauertag wird in Deutschland seit 1952 immer am zweiten Sonn-tag vor dem 1. Advent begangen. Und auch 75 Jahre nach Ende des Zwei-ten Weltkriegs fließen noch immer Tränen, wenn an jenem stillen Tag an das bis heute viele Seelen belastende Leid erinnert wird.
Ein solches stille Gedenken gilt Menschen, die im dunkelsten Kapitel deut-scher Geschichte ihr Leben verloren haben – Menschen mit Behinderungen, Juden, in Konzentrations- und Vernichtungslagern Getöteten, aber auch den vielen unschuldigen Opfern aus der Mitte des deutschen Volkes.
Die Gräuel des Zweiten Weltkriegs können nicht ungeschehen gemacht werden, doch sind wir es den Opfern schuldig, die Schrecken des Krieges im Gedächtnis zu bewahren. Insofern ist dieser Feiertag stets mehr als Ritu-al, Tradition oder Alibiveranstaltung.
Zugegeben: Der Volkstrauertag ist ein schwieriger Feiertag, weil er den Finger in alte Wunden legt. Er ist damit der Stachel im Fleisch unserer Ver-gesslichkeit. Mag in Anlehnung an Erich Kästner heißen: ‚Die Vergangenheit muss reden, weil sie und die Menschen sonst keine Ruhe finden können‘. Zugleich aber transportiert jener vorletzte Sonntag im KJ die zentrale Botschaft, für Frieden und Menschenrechte einzutreten.
Längst will man mit einem solchen Gedenken allen Opfern von Krieg und Gewalt Gesicht und Stimme geben. Auch den aktuellen. Denen in Berlin und Halle. In Paris. Nizza. Und, und, und. Die grenzenlose Anmaßung ver-schiedener Terrorgruppen trifft hierbei ins Mark, nach Gutdünken über Le-ben und Tod entscheiden zu können. Auch toben auf unserer Erde noch immer viele Kriege, und selbst im 21. Jahrhundert werden weltweit Millio-nen von Menschen als Sklaven gehalten. Und: Wir alle freilich können das wissen!
Dürfen daher nicht zu untätigen Beobachtern werden, egal welchen Terrors. Hörbar wollen wir uns stattdessen gemeinsam gegen all die Stimmen stel-len, die Ängste, Vorurteile, Hass und Furcht verbreiten mit dem klaren Ziel, andere Menschen zu unterdrücken, ihnen im Namen von Nation, Volk, Ras-se, Religion oder Ideologie den eigenen Willen aufzuzwingen.
Demokratische Strukturen und vor allem der Kompromiss sind dabei kein Ausdruck von Schwäche, sondern vielmehr eine Grundhaltung, wesentlich geprägt von christlichen Werten wie Rücksichtnahme, Nächstenliebe, Aner-kennung und Respekt vor Gott und den Menschen.
Doch dass solch achtsames wie gleichermaßen friedvolles Miteinander un-ter uns Raum greifen kann, liegt eben nicht allein nur in unserer Hand. Als glaubende Christenmenschen nämlich wissen wir aus unserer Bibel dort im Epheserbrief (Eph 2, 14): „Christus ist unser Friede!“
Darauf also mögen wir vertrauen und immer wieder neu dafür beten. In diesen Tagen können wir genau dies im Rahmen der 40. Friedensdekade konfessionsverbindend immer wieder regelmäßig tun.
Ihnen allen jetzt noch ein paar ruhige und stillere letzte Tage im nun langsam zu Ende gehenden Kirchenjahr,
Ihre Pfarrer Wolfgang Popp und Gerd Schamberger