Land unter.

Liebe Gemeindeglieder, liebe Leser*innen,

Wasser. In Häusern und auf Straßen. Überall Wasser. Soweit das Auge reicht. Autos und Lieferwagen von den Fluten wie Spielzeug einfach mitgerissen. Bäche werden zu Seen, und Menschen obdachlos. Es gibt Zerstörung, Tote und Vermisste. Nicht irgendwo, weit weg in Asien, sondern hier bei uns. Allein in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen starben mehr als 160 Menschen. Auch Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen kämpfen mit den Wassermassen. Und selbst den Süden Bayerns hat es ähnlich hart getroffen. Die Liste ist lang. Bilder im Netz und im Fernsehen machen sprachlos.

Unsere Gedanken und Gebete gehen zu den Familien dort und zu den vielen erschöpften Helferinnen und Helfern. Gebe Gott, dass die Trauernden und Bangenden Beistand und Trost erfahren. Ja, und dann sind da auch die Hitzerekorde in Spanien, sogar am Nordpol. Gigantische Flächenbrände im Nordwesten der USA. Erschütternde Szenen von hungernden Kindern auf Madagaskar. Die Armut in längst zu vielen Teilen der Welt nimmt rasant zu; Corona verschlechtert die Lage drastisch. Und auch hier bei uns fragen zunehmend mehr junge Menschen, welche Zukunft da auf sie zukommen mag.

 „Rette mich, Gott, denn das Wasser steht mir bis zum Hals!
Ich versinke in tiefem Schlamm und finde keinen Halt.
Das Wasser reißt mich in die Tiefe, die Flut überschwemmt mich.“ (Psalm 69, 2+3 | Neue Genfer Übersetzung) 

Dieses Gebet aus dem Alten Testament ist rund 3.000 Jahre alt. Aber es klingt, als wäre es erst gestern aufgeschrieben worden. Einen Unterschied gibt´s allerdings: Die Fluten, die wir in den letzten Tagen erlebt haben, sind kein Zufall. Kein bloßes Wetterphänomen. Sie sind eine von zahlreichen Folgen des Klimawandels. Wissenschaftler sagen: Der sogenannte ‚Jetstream‘ in der Atmosphäre wird immer langsamer. Dadurch bleiben auch Regenwolken länger über ein und derselben Stelle. Was sich demnach früher über große Flächen verteilt hat, regnet heute auf wenige Quadratkilometer herunter.

Die Sorgen werden größer und man fragt sich: Wie bloß schaffen wir es, beieinanderzubleiben, als Gesellschaft zusammenzuhalten, vielleicht sogar als Weltgemeinschaft Solidarität wirklich zu leben, auch wenn wir vieles nicht ändern und manche Katastrophe nicht werden abwenden können? Wie gelingt es uns, Verantwortung zu übernehmen – nicht nur für den Zustand der Welt, sondern auch füreinander, jetzt doch gerade in den Krisen?

Was also können wir tun? Können – nein: MÜSSEN endlich Gottes Auftrag an uns ernst nehmen und die Erde nicht nur bebauen, sondern diese auch bewahren. Weniger CO2, mehr Solar- und Windkraft, weniger Fleisch… wir wüssten, wie es gehen könnte. Nur: Viel Zeit haben wir wohl nicht mehr.

Jede Naturkatastrophe erinnert auch heute daran, dass unser Leben bedroht ist. Urgewalten wie das Wasser umgeben uns. Die Erdoberfläche ist zu 71 % mit Wasser bedeckt. Wir brauchen Wasser zum Leben und erfahren doch in jeder Generation wieder, wie zerstörerisch Wasser sein kann. Der jüngste Tsunami, das Elbhochwasser, die Oderflut, Land unter in Hamburg, Sturmfluten an der Nordseeküste – es sind unzählige Katastrophen. Wir versuchen, sie zu beherrschen, aber es gelingt eben nicht wirklich.

Das Lebensgefühl in der Zeit, in der vor abertausenden von Jahren die Bibel einst entstanden ist, war ganz ähnlich: Es kann nicht mehr lange gut gehen mit der Welt, meinten viele. Katastrophenszenarien allerorten, auch damals schon, und immer wieder diese Ohnmachtsgefühle. „Aber es gibt da EINEN, der uns im Innersten zusammenhält“, so haben es die religiösen Menschen einst geglaubt – und gesagt: Wir geben nicht auf, wir geben erst recht uns nicht auf. Und sie haben darum Gemeinden gegründet und diese gepflegt. Hoffnungsgemeinschaften, die zuversichtlich auf die ungewisse Zukunft zugegangen sind.

Ja, denken wohl viele in diesen Tagen, zu solch einer gemeinschaftlichen, zuversichtlichen und verantwortungsbereiten Haltung sind auch wir in der Lage. Unser aller Kraft und Mitmenschlichkeit werden jetzt gebraucht. Und zuvorderst wohl eben auch das inständige Gebet verbunden mit einer wieder verstärkten Hinwendung zu Gott als dem Schöpfer unserer einen Erde …

Ihre Pfarrer Wolfgang Popp und Gerd Schamberger

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