Hoffnungslos zuversichtlich
Liebe Gemeindeglieder, liebe Leser*innen,
bereits vier Monate lang ist es das große Thema, das nicht nur die Medien, sondern auch das gesamte öffentliche Leben und das jeder und jedes Einzelnen bis ins Privatleben hinein bestimmt – uns hier in den Pfarrbüros und Sie daheim in den Familien samt Ihrem Bekannten- und Freundeskreis.
Das Corona-Virus – mit gerade mal 130 Nanometern mikroskopisch unscheinbar, und doch mit verheerenden Folgen – lehrt es uns doch, dass Gesundheit und Wohlstand alles andere als selbstverständlich sind und eben vieles nicht ständig und zu jeder Zeit verfügbar und machbar ist. Es geht nun mal nicht immer weiter bergauf, mit unserer Wirtschaft, was mancher mit etwas gesundem Menschenverstand freilich längst geahnt hatte. Doch das Laufrad stand plötzlich still – ohne Rücksicht auf Verluste und mit allen Konsequenzen, die in ihrer Gänze und Tragweite noch immer nur vage abzuschätzen sind.
Wir alle haben es mehr oder weniger hautnah erlebt und erleben es noch: Leben und Sterben auf Abstand, große Menschenansammlungen noch immer ein ziemliches No-Go, Maskenpflicht auch weiterhin beim täglichen Einkauf, bei raumgreifenden Gotteshäusern mit einst 600 Sitzplätzen fällt da hinten ganz schnell mal eine 0 weg, kanisterweise Desinfektionsmittel in den Geschäften und Büros, ein oftmals nur noch müdes Lächeln ersetzt längst die innige Umarmung und der ohnehin schon verhaltene Torjubel verliert sich vollends im scheinbar endlos weiten Rund gähnend leerer Stadionränge.
Auch unsere Arbeit in den Gemeinden war in diesen Zeiten plötzlich nicht mehr so wie zuvor: Hatten nicht mehr so viel direkten Kontakt zu den Menschen, dafür umso mehr Gespräche am Telefon. Diese Gespräche waren besonders, erfordern sie doch ein hohes Maß an Konzentration auf beiden Seiten, großes Vertrauen von Menschen, die vielleicht ja gern mal reden möchten und sich nun einem nicht sichtbaren Menschen öffnen sollten. Doch manchmal entstanden gerade in dieser besonderen Form – völlig frei von äußerlichen Eindrücken und mit der Option, jederzeit auflegen zu können – ganz neue Perspektiven und heilsame Eindrücke.
Wir versuchten in Telefonaten auch die tragischen Erlebnisse von Angehörigen aufzufangen. Uns wurde beispielsweise berichtet, wie schlimm es wäre, wenn Menschen ihre sterbenskranken Angehörigen im Krankenhaus nicht besuchen dürften oder es nur unter sehr eingeschränkten Bedingungen möglich wäre, Abschied zu nehmen. Leben auf Abstand machte sterbende, pflegende und trauernde Menschen eben nochmal einsamer. Dies ist jetzt – Gott sei Dank – seit kurzem wieder deutlich leichter und menschlicher geworden.
Besonders tragisch auch die Situation alter Menschen in den Heimen, die zum Teil gar keinen Kontakt mehr hatten – außer dem zum Pflegepersonal. Viele ehrenamtliche Helfer*innen linderten diese Not ein wenig, indem sie an Heimbewohner Karten schrieben und dazu einen kleinen Gruß gestalteten. Die Heime freuten sich über solche Unterstützung und Wertschätzung.
In einer solchen Zeit wird deutlich, dass unmittelbare körperliche Nähe noch immer für uns Menschen lebensnotwendig ist. Nichts ersetzt ein Gespräch von Angesicht zu Angesicht. Es gibt sicherlich etliche praktikable Alternativen gerade auch digitaler Art – doch nichts auf der Welt schafft es sozusagen auf Augenhöhe mit einem persönlichen Gespräch von Angesicht zu Angesicht. Genau dies nun spürten wir in diesen Zeiten und wollen trotzdem – für sicher auch noch etwas längere Zeit – beim Begegnen anderer auch in Zukunft achtsam bleiben und in unserem Verhalten vorsichtig sein.
Wir hoffen für uns alle, dass es auch weiterhin gelingen möge, unter all den fühlbaren Erschwernissen dennoch stets „hoffnungslos zuversichtlich“ zu bleiben.
Ihre Pfarrer Wolfgang Popp und Gerd Schamberger