Buß- und Bettag

Liebe Gemeindeglieder, liebe Leser*innen,

der Buß- und Bettag hat eine lange und wechselvolle Geschichte hinter sich. Er nämlich bezieht sich nicht auf ein konkretes biblisch-heilsgeschichtliches Ereignis, wie z.B. der Karfreitag oder die Weihnacht, sondern ist ein von der staatlichen Obrigkeit verordneter Tag der Buße. Im römischen Reich war es üblich, in Notzeiten einen Tag des Gebets und der Buße auszurufen. Jene Sitte fand schließlich unter dem Einfluss des römischen Rechts Eingang in die christliche Kirche.

Die Kirche des Mittelalters hielt einst zu Beginn jeder Jahreszeit sogenannte Quatembertage ab. Diese Tage dienten der Buße und dem Fasten. Daneben entstanden weitere Bußtage, deren Ziel es war, Gott in Zeiten der Bedrängnis, des Krieges, des Hungers und anderer Nöte, gnädig zu stimmen und die Geschicke des Volkes zum Guten zu wenden. So hat man also solche Bußtage immer wieder bei „Bedarf“ durch die jeweils Regierenden angeordnet.

Im Jahre 1532 wurde dann der offiziell erste „Buß- und Bettag“ der evangelischen Kirche in Straßburg begangen. Die Anzahl der Bußtage stieg in den folgenden Jahrhunderten stark an, da jedes Kirchengebiet seine eigenen Bußtage einrichtete. So zählte man im Jahr 1878 in 28 deutschen Ländern 47 verschiedene Buß- und Bettage an jeweils 24 Tagen.

Mitte des 19. Jahrhunderts gab‘s, ausgehend von der sog. Eisenacher Konferenz, die Bestrebung, einen einheitlichen Bußtag einzuführen: und zwar am Mittwoch vor dem letzten Sonntag des Kirchenjahres.

1994 beschloss die damalige Bundesregierung, den Buß- und Bettag zugunsten der Mitfinanzierung der Pflegeversicherung ab 1995 als offiziellen Feiertag abzuschaffen. Nur in Sachsen ist dieser Tag auch heute noch arbeitsfrei.

Auch wenn dieser Tag kein gesetzlicher Feiertag mehr ist, wollen wir Christinnen und Christen ihn dennoch nutzen, um uns auf unsere Verantwortung uns selbst, der Welt und Gott gegenüber zu besinnen. Die ernstliche Beschäftigung mit dieser Frage mag im Idealfall zu der Erkenntnis führen, wo Verhalten verkehrt war –
und darum eine Veränderung der Haltung, des Redens und des Handelns gut täte und heilsam wäre – eine Art Kurskorrektur!

Dieser Tag aber soll kein Verharren im Erschrecken über die eigenen „Abgründe“ bewirken, sondern vielmehr Mut zu einem neuen Aufbruch machen. Doch das freilich wird nur möglich, weil Gott Fehltritte vergibt und immer wieder einen neuen Anfang schenkt.

Dieser neue Aufbruch gilt für das Leben im persönlichen Bereich ebenso, wie im Blick auf den Auftrag, den jede und jeder einzelne auch in der Verantwortung für die Gesellschaft und diese Welt hat. Neben dem Fingerzeig, der sich gegen herrschende Missstände und Ungerechtigkeiten richtet, dürfen wir Christen an diesem Tag auch besonders auf Gottes Gebote deuten und mit seiner Gnade rechnen.

So kann der Buß- und Bettag in jedem Jahr wieder zu einem Tag werden, an dem ich meine eigene Haltung auf den Prüfstand stelle, diese einmal mehr grundlegend überdenke und sie dann im vergebenden Horizont Gottes wieder neu ausrichte.

In solchem Sinne Ihnen wie auch uns einen nachdenklichen und zugleich einsichtigen Buß- und Bettag 2021,

Ihre Pfarrer Wolfgang Popp und Gerd Schamberger

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