1. Mai

Liebe Gemeindeglieder, liebe Leser*innen,

geht es Ihnen auch so? In diesen Tagen kann man manches Liegengebliebene aufARBEITen. Der Nachbar legt den Rasen hinter dem Haus neu an. Andere schleifen Möbel ab und streichen sie. Ordner, Schränke, Schubladen werden ausgemistet und so neuer Platz geschaffen.

Erster Mai – historisch hat dieser Tag zu tun mit dem Streit um den Acht-Stunden-Arbeitstag, später dem Eintreten für die Fünf-Tage-Arbeitswoche. Und natürlich geht es auch Anfang der 20er Jahre des 21. Jahrhunderts noch immer um Fragen des Einkommens, des Urlaubsanspruchs, der Arbeitsverdichtung.

Überhaupt hat sich die ARBEIT für viele von uns grundlegend gewandelt. Viele praktizieren Homeoffice in diesen Wochen und Monaten. Manche oft noch immer in Kurzarbeit. Andere gar fürchten um ihren Arbeitsplatz und um ihr Auskommen. Läden und Firmen blieben und bleiben z. T. weiterhin geschlossen.

Anderes Arbeiten dagegen wird plötzlich aufgewertet: Medizinisches Personal, Verkäuferinnen und Verkäufer haben in Zeiten wie diesen Hochkonjunktur. Aber auch Freiwillige, die in Impfzentren mit anpacken oder Einkäufe für andere erledigen. Wir wünschen uns sehr, dass solche Erfahrungen nachhaltig sind und mittelfristig zu einem veränderten Wirtschaften und zu neuer, auch finanzieller, Bewertung von Arbeit führen.

Im Moment kommt aber noch ein anderer Aspekt von ARBEIT in den Blick: und zwar die seelische und die zwischenmenschliche. Die Nerven liegen bei uns allen weitgehend blank – allgemeine Gereiztheit allerorten. Man muss umgehen mit eigener schlechter Laune und mit Stress im Zusammenleben. Umgekehrt haben wir gerade auch in unseren Gemeinden echte Sehnsucht nach den Gruppen und Kreisen, nach Schüler*innen und Konfirmand*innen. Endlich mal wieder was gemeinsam machen: Singen, Spielen, Gedanken teilen.
Warum die Zeit eigentlich nicht nützen, um auch zwischenmenschlich Liegengebliebenes aufzuARBEITen? Im Johannes-Evangelium macht Jesus das vor (Johannes 21). Als Auferstandener begegnet er den Jüngern am See Genezareth. Sie essen miteinander. Jesus sitzt neben Petrus. „Hast du mich lieb?“ fragt Jesus. „Ja“ sagt Petrus. – Aber ihm fällt sofort ein, wie er sich am Abend von Jesu Verhaftung verhalten hat. Weggelaufen ist er. Verleugnet hat er ihn. Dreimal. „Hast du mich lieb?“ fragt Jesus noch einmal. Kein Bohren in alten Wunden. Das Alte soll nicht mehr zählen! Nur die Frage „Hast du mich lieb? Wollen wir wieder gut sein miteinander?“

Wie also wäre es, in diesen Tagen wieder mal Kontakt aufzunehmen zu Menschen, von denen man sonst eher wenig mitbekommt. Verstärkt Anteil zu nehmen an dem, wie einzelne Familienmitglieder, Freunde oder Bekannte momentan gerade fühlen. Was ihr Herz in diesen Zeiten schwer macht, es an den Rand des Zerbrechens führt …

Peter Gröger fand hierfür folgende Worte:

1.000 Scherben

Wenn eine Glasscheibe zerbricht,
dann hört man das.

Wenn ein Tonkrug zerbricht,
dann hört man das.

Wenn dagegen ein Herz bricht,
dann hört man nichts.
Und doch ist der Schmerz so gewaltig,
als würden alle Glasscheiben und Tonkrüge
dieser Welt brechen.

Ihnen allen nun einen rundum achtsamen wie gesegneten „Tag der Arbeit“,

Ihre Pfarrer Wolfgang Popp und Gerd Schamberger

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